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Erklärung gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit

Tschechoslowakische Hussitische Kirche kritisiert Präsident Zeman

Seit der Wiederwahl von Milos Zeman zum Präsidenten der Tschechischen Republik Ende Januar reißt die Kritik an seinem Auftreten und einigen seiner politischen Positionen nicht ab. Am vergangenen Mittwoch demonstrierten tausende Tschechinnen und Tschechen gegen den alten und neuen Amtsinhaber und für die Freiheit der Medien. Kritiker werfen dem Staatschef vor, die tschechische Gesellschaft mit seinen mitunter derben, als populistisch und fremdenfeindlich empfundenen Stellungnahmen zu spalten. Die tschechische Regierungspolitik ist bereits seit vielen Jahren für ihre restriktive Haltung gegenüber Flüchtlingen bekannt; derzeit leben nur einige hundert von ihnen im Land.

Wie jetzt bekannt wurde, hat die Tschechoslowakische Hussitische Kirche bereits am 1. Februar eine Erklärung veröffentlicht, in der Milos Zeman bewusste Manipulationen und antidemokratische Tendenzen vorgeworfen werden. Die Diözese Brno der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche und der Kirchenkreis Essen pflegen seit 1995 eine ökumenische Partnerschaft. Viele Geistliche und Prediger der Diözese Brno haben die Erklärung unterzeichnet. Die Diözese bittet die Essener Kirchengemeinden darum, sich in ihren Fürbitten dem in der Erklärung erwähnten „Gebet für die Bewahrung vor Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Manipulation, Totalitarismus und vor allen antidemokratischen Tendenzen“ anzuschließen.

„Die Erklärung ist sehr mutig, sie bewegt mich sehr und bedrückt mich auch“, sagt Pfarrerin Dagmar Kunellis, Beauftragte für Flüchtlingsarbeit im Kirchenkreis Essen und Vorsitzende des Beirats für Flüchtlingsfragen und Migration. „In einem Telefongespräch mit meinem Kollegen Marek Rysanek aus Kromeriz habe ich erfahren, dass es aufgrund dieser Erklärung heftige Attacken gegen die Tschechoslowakische Hussitische Kirche gibt. Besonders betroffen macht mich, dass die Kritik an der Erklärung zum Teil von den eigenen Kirchenmitgliedern kommt und zum Beispiel in Leserbriefen an die Kirchenzeitung geäußert wurde.“ Nachfolgend der Text der Erklärung im Wortlaut:

"Erklärung der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche, Diözese Brno, zur gegenwärtigen Lage im Land

1. Die Wahl des Präsidenten hat den Zustand unserer Gesellschaft aufgezeigt. Sie war nicht allein eine politische, sondern auch eine ethische und geistliche Angelegenheit.

2. Wir stellen fest, dass Milos Zeman und seine Unterstützer im Wahlkampf ohne zu zögern gegenüber dem Gegenkandidaten Jiri Drahos bewusste Lügen und Manipulation anwandten, um in der Gesellschaft insbesondere die Angst vor Immigranten zu schüren. Den Gebrauch solcher Methoden im politischen Kampf sehen wir als unethisch an.

3. Wir erheben Einspruch gegen jedweden Versuch, die Prinzipien unserer Demokratie in Frage zu stellen, wie sie ausgedrückt sind in der Verfassung und der Grundlegung für Grundrechte und Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Einbindung unserer Republik in die westlichen Strukturen (NATO, EU).

In diesem Zusammenhang bringen wir auch unsere Sorge und unsere Missbilligung über den wachsenden Einfluss extremistischer, fremdenfeindlicher Tendenzen, Bewegungen und Parteien und das Erstarken ihres Einflusses in unserem Land zum Ausdruck.

Unsere Antworten in dieser Situation werden sein:

1. Das unablässige Gebet für die geistliche und moralische Erneuerung unserer Nation, für die Bewahrung vor Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Manipulation, Totalitarismus und vor allen antidemokratischen Tendenzen.

2. Die Konzentration auf unsere vorrangige Sendung, das Evangelium zu bezeugen – die gute und befreiende Botschaft von Gott. Die Bezeugung des Evangeliums ist zwar primär keine politische Angelegenheit, aber sie hat eine politische Dimension. Das Evangelium bezeugen heißt, in den Predigten oder persönlichen Gesprächen an das Königreich Gottes zu erinnern – an den Sieg des gekreuzigten Christus – und damit an den Sieg des Guten, der Wahrheit, der Schönheit und der Liebe über alle Formen des Bösen und des Hasses.

3. Die Erinnerung an unseren Anteil an der Verantwortung für den Zustand der Gesellschaft. Unsere Sendung ist es, in allen Bereichen des Lebens den Geist Christi zu bezeugen. Damit verbunden sind auch die ethischen Konsequenzen für alle unsere Wahlen. Politik und Ethik sind nicht zwei getrennte Bereiche. Wie wir wählen, darf nicht allein seinen Grund haben in einem politischen Pragmatismus, sondern auch und vor allen Dingen in der ethischen und geistlichen Verantwortung.

Bei allen passenden Gelegenheiten wollen wir an die sozial-ethischen Grundlagen der Lehre unserer Kirche erinnern, gleichzeitig an ihrer Aktualisierung, Vertiefung und Konkretisierung arbeiten und weiter einen klaren gesellschaftlichen und politischen Standpunkt vertreten, der aus dem biblischen Glauben erwächst.

1. Februar 2018"

Übersetzung: Pfarrerin Dagmar Kunellis.

Stichwort 1: Tschechoslowakische Hussitische Kirche

Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche ist eine christliche Kirche, die in den Jahren 1919/20 durch Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche entstanden ist. Die oft auch Neuhussitische Kirche bzeichnete Glaubensgemeinschaft ist vornehmlich in Tschechien verbreitet, aber auch in der Slowakei gibt es einige Gemeinden. Sie beruft sich auf die Traditionen des böhmischen Reformators Jan Hus. 2011 gehörten ihr rund 39.000 Gläubige an.

Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche ist eine Episkopalkirche mit starken Mitspracherechten der Laien, die diese in den Ältestenräten der Gemeinden und in Synoden wahrnehmen. Im Jahr 2007 bestanden rund 300 Pfarrgemeinden, die jeweils von einem durch alle Gläubigen gewählten Ältestenrat geleitet werden. In den Gemeinden arbeiten etwa 270 Priester, knapp die Hälfte sind Frauen.

Die Kirche ist in sechs Diözesen, darunter Brno (Brünn) gegliedert. Diese werden von einem gewählten Diözesanrat mit dem Bischof an der Spitze geleitet. Die Gesamtkirche wird von einem Zentralrat geführt, in den die Diözesanversammlungen in gleichem Verhältnis Priester und Laien entsenden. Die grundsätzlichen Entscheidungen in Bezug auf dogmatische und organisatorische Normen trifft die Kirchensynode. Sie wählt auch den Patriarchen, das geistliche Oberhaupt der neuhussitischen Kirche. Zwischen den Synoden besorgt der Zentralrat die laufenden Geschäfte. Die Kirche hat einen Sozialdienst und ein Missionswerk. Diese unterhalten einige Kindergärten, Schulen, Alten- und Behindertenheime.

Quelle: Online-Enzyklopädie Wikipedia.

Stichwort 2: Ökumenische Partnerschaft

Der Vertrag über die Partnerschaft zwischen dem Kirchenkreis Essen (damals noch Kirchenkreis Essen-Süd) und der Diözese Brno der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche wurde am 4. November 1995 unterschrieben. In der Vereinbarung verpflichteten sich beide Partner u.a. zu laufender gegenseitigen Information, Beratung und Zusammenarbeit im gemeinsamen Zeugnis, Dienst und Gebet, zum gegenseitigen Besuch von Synoden und für beide Kirchen wichtigen Tagungen und Konferenzen. Weitere Ziele sind der Erfahrungsaustausch auf den Gebieten der Diakonie, der Kinder- und Jugendarbeit, der Aus- und Weiterbildung und der Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung.

Titelfoto: Vit Madr

 

 

 

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