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Ich bin fassungslos und wütend

Superintendentin Marion Greve zu den Schüssen auf das Rabbinerhaus

Nach den Schüssen auf das ehemalige Rabbinerhaus neben der Alten Synagoge Essen, die am Freitagmorgen von der Polizei gemeldet wurden, hat sich Superintendentin Marion Greve tief betroffen geäußert. Sie sei fassungslos und auch wütend, erklärte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche in Essen:

STATEMENT VON SUPERINTENDENTIN MARION GREVE

Zu meiner großen Bestürzung habe ich heute erfahren, dass auf das Rabbinerhaus neben der Alten Synagoge Schüsse abgegeben worden sind. Gemeinsam mit allen Menschen, die für ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt einstehen, frage ich mich fassungslos, was den Täter dazu verleitet hat, und hoffe auf eine schnelle Aufklärung dieser Tat.

Die Alte Synagoge Essen und das Rabbinerhaus stehen mir nahe, als Bürgerin und Christin. Erst kürzlich, am 9. November, haben wir uns gemeinsam in der Alten Synagoge an die Schrecken der Reichspogromnacht erinnert und der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Unsere Gegenwart wurde ebenfalls in den Blick genommen: Eine deutliche Warnung vor jeder heutigen Form des Antisemitismus war Teil des Gedenkens. Die nationalsozialistische Diktatur ist Geschichte, doch menschenverachtende Ideologien und rassistische Hetze gibt es immer noch, nehmen aktuell sogar zu. Auch deshalb bin ich über diese Tat tief betroffen, sie beschämt mich und macht mich wütend.

Die Alte Synagoge zählt zu den wichtigsten Stätten der Erinnerung in unserer Stadt. Gleichzeitig ist sie ein wunderbarer, lebendiger Ort. Menschen aller Altersstufen besuchen sie, um den Reichtum jüdischer Kultur und Glaubensgeschichte kennenzulernen. Sie ist ein besonders sichtbares Zeichen dafür, dass Verfolgung, Gewalt und Krieg nicht das letzte Wort haben. Sie ermutigt dazu, unsere Verantwortung für Frieden, Toleranz und die Bewahrung der Menschenwürde ernst zu nehmen und in die Tat umzusetzen. Dazu, dass dies auch zukünftig so bleibt, wollen wir als Evangelische Kirche in Essen immer beitragen.

Essen, 18. November 2022

Marion Greve
Superintendentin

STICHWORT: ALTE SYNAGOGE – HAUS JÜDISCHER KULTUR

Das Gebäude der „Alten Synagoge“ wurde am 25. September 2013 als Gotteshaus der jüdischen Vorkriegsgemeinde eingeweiht. Dabei handelte es sich um die größte erhaltene freistehende Synagoge nördlich der Alpen und somit eines der bedeutendsten Zeugnisse jüdischer Kultur in Deutschland. Am 9. November 1938 wurde sie in Brand gesetzt, blieb jedoch auch während des Krieges äußerlich weitgehend unversehrt. 1959 erwarb die Stadt Essen das Gebäude und ließ es für das "Haus Industrieform" umbauen, in dem Industriedesign ausgestellt wurde.

Als Teile der Industrie-Ausstellung 1979 ausbrannten, wurde die "Alte Synagoge" als Gedenkstätte und politisch-historisches Dokumentationsforum gegründet. Eine Teilrekonstruktion des früheren Synagogeninneren erfolgte 1986 bis 1988. Im Jahr 2008 entschloss sich die Stadt Essen, die "Alte Synagoge" zu einem Haus jüdischer Kultur mit Ausstellungen zur jüdischen, deutsch-jüdischen Geschichte und zur jüdischen Kultur der Gegenwart weiterzuentwickeln. Die Neueröffnung fand im Juli 2010 statt.

Das ehemalige Rabbinerhaus, auf das die Schüsse in der Nacht von Donnerstag auf Freitag abgegeben worden sein sollen, grenzt unmittelbar an die Alte Synagoge an. Dort sind heute das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte mit Archiv und Bibliothek sowie Räume der Universität Duisburg-Essen untergebracht. Das Salomon Ludwig Steinheim-Institut erforscht die Geschichte und Kultur der Juden im deutschen Sprachraum. Das Gotteshaus der heutigen Jüdischen Kultus-Gemeinde Essen ist die „Neue Synagoge“ in der Sedanstraße, etwas außerhalb des Zentrums.

 

 

 

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