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Hilfe in der Trauer um Sternenkinder

Seelsorgerinnen laden zum Gedenkgottesdienst ein

TEXT: THOMAS RÜNKER / FOTO: NICOLE CRONAUGE

Wenn ein Kind in der Schwangerschaft oder unmittelbar nach der Geburt stirbt, machen sich Verzweiflung und Hilfslosigkeit breit. Hier stehen Klinikseelsorgende mit Trost und Rat beiseite. In Essen laden sie am 11. Dezember, dem Gedenktag für verwaiste Eltern, erstmals zu einem ökumenischen Gottesdienst für Sternenkinder-Eltern ein.

Kleine Windspiele, Kerzen, Engel – und immer wieder Schmetterlinge. Vielleicht ist das hier der bunteste Ort auf dem ganzen Friedhof. Hier, im Schatten des Essener Elisabeth Krankenhauses liegt Liana-Sophie begraben, zusammen mit Dario, Zoe und Dutzenden anderen Kindern. Sie werden Sternenkinder genannt, weil sie noch im Mutterleib gestorben sind, während der Geburt oder wenige Stunden danach. Und weil es viele Menschen gibt, die um diese Sternenkinder trauern, laden die Katholische und die Evangelische Kirche in Essen am Sonntag, 11. Dezember, um 19 Uhr, erstmals zu einem ökumenischen Gedenkgottesdienst für Sternenkinder in die Marktkirche ein.

Gemeinsam gestalten die drei Klinikseelsorgerinnen Juliane Gayk, Petra Kerperin (beide Elisabeth Krankenhaus) und Eileen Krauße (Uni-Klinikum) diesen Gottesdienst. Als Seelsorgerinnen in den beiden Essener Geburtskliniken sind sie regelmäßig mit dem Leid konfrontiert, das werdende Eltern erleben, wenn das Kind stirbt, das sie nicht einmal kennenlernen konnten. Jetzt stehen die drei Frauen gemeinsam an der Grabstelle mit den vielen bunten Schmetterlingen, wo viermal im Jahr die Sternenkinder des Elisabeth Krankenhauses beerdigt werden. Erst seit 2004 ist in NRW gesetzlich geregelt, dass Kliniken Sternenkinder bestatten müssen, wenn deren Mütter und Väter dies nicht selbst übernehmen möchten.

Auch wenn zu diesen Trauerfeiern oft nur wenige Angehörige kämen, seien die Grabstellen für viele Sternenkinder-Familien sehr wichtig, sagen die Seelsorgerinnen. „Selbst wenn sie nicht zur Bestattung kommen, wissen die Eltern, wo das Kind bestattet ist“, sagt Eileen Krauße. Und Petra Kerperin berichtet von einem Elternpaar, das sich erst zwei Jahre nach der Beisetzung ihres Sternenkinds an sie gewandt hat – und dem sie mithilfe der Friedhofsverwaltung im Gräberfeld exakt die Stelle zeigen konnte, an der das Kind beigesetzt worden war.

WIE SOLL MAN MIT ELTERN SPRECHEN, DIE IHR KIND VERLOREN HABEN?

Wie es ist, ein Kind zu verlieren, sei für die Familien sehr unterschiedlich, hat Kerperin beobachtet. So gebe es Fehlgeburten in der achten Schwangerschaftswoche, bei denen sich die Eltern noch gar nicht als Eltern fühlten – und es gebe Sternenkinder in der 38. Woche, bei denen zuhause bereits das komplette Kinderzimmer eingerichtet ist. Bei vielen Sternenkind-Eltern gebe es in ihrer Verzweiflung „eine große Hilflosigkeit“, sagt Krauße. Gerade noch standen die Zeichen auf Geburt – und plötzlich dreht sich alles um einen Sterbefall. Diese Hilflosigkeit breite sich auch auf Angehörige und Freunde aus: Wie soll man mit Eltern sprechen, die ihr Kind verloren haben? Und was sagen Sternenkind-Mütter und -Väter bei einer frühen Fehlgeburt Freunden und Angehörigen, denen sie zuvor noch nicht von der Schwangerschaft berichtet haben?

In dieser Situation seien viele Paare sehr dankbar, wenn die Seelsorgerinnen „eine proaktive Begleitung“ anböten, sagt Krauße, also von sich aus auf die Mütter oder Elternpaare zugehen. Das bestätigt auch die evangelische Pfarrerin Gayk, die selbst eine Sternenkindmutter ist. „Das Umfeld ist in dieser Situation so sprachlos, so hilflos. Da tut es gut, Seelsorgende an der Seite zu haben, die vieles möglich machen können.“

Noch vor dem Thema Bestattung stehe oft die Frage im Raum, ob die Eltern das Kind noch einmal sehen möchten, „wozu ich die Eltern immer ermutige“, sagt Kerperin. Krauße verweist zudem auf den wertvollen Dienst der ehrenamtlich tätigen Fotografinnen und Fotografen, die Sternenkind-Müttern und -Vätern ein dauerhaftes Andenken an ihre Kinder ermöglichen. Für Sternenkind-Eltern, die oft noch gar nicht richtig Eltern sein konnten, sei es „ganz viel wert, als Eltern wahrgenommen zu werden“, sagt Gayk. Oft seien es gerade die Menschen aus den Seelsorge-Teams, „die den Eltern dieses Ansehen geben“.

VIEL MITGEFÜHL AUF DEN KLINIK-STATIONEN

Trotz aller Hightech-Medizin und des großen Arbeitspensums in großen Kliniken „erlebe ich dort viel Mitgefühl“, sagt Kerperin. Wenn eine hochschwangere Frau aufgenommen werde, bei der es ernsthafte Sorgen um das Baby gibt „hofft und bangt die ganze Station mit“. Und wenn das Kind dann trotz aller Bemühungen stirbt, „liegt das schwer wie ein unsichtbarer Schleier auf der Station“. Gerade dann sind Kerperin und ihre Kolleginnen gefragt. Nicht, um diese Trauer zu nehmen, aber um zu begleiten.

In erster Linie geht es da um die Mütter, die das tote Kind oft noch zur Welt bringen müssen. Aber die Seelsorgenden stehen auch dem Personal zur Seite, dessen Job es doch eigentlich ist, den Müttern zu helfen, ihre Kinder gesund auf die Welt zu bringen. Deshalb lädt Kerperin auch zu jeder Beisetzungsfeier die Mitarbeitenden der Gynäkologie ein. „Und wenn es zeitlich passt, kommt die Chefärztin selbst und spricht im Gottesdienst zu den Angehörigen“, berichtet Kerperin. Dr. Daniela Reitz ist eben nicht nur Medizinerin, sondern auch Theologin. Außerdem nehmen regelmäßig Schwestern vom Orden der „Barmherzigen Schwestern von der heiligen Elisabeth“ an den Trauerfeiern teil. In der Pflege sind die Schwestern schon länger nicht mehr tätig, „aber die Sternenkinder liegen ihnen sehr am Herzen“, sagt Kerperin.

So bunt und beinahe fröhlich, wie die Gräberfelder der Geburtskliniken wirken, auf denen die Sternenkinder bestattet werden, so groß ist die Tabuzone, die dieses Thema umgibt. „Tod und Sterben ist in unserer Gesellschaft ein Tabu, tote Kinder sowieso“, sagt Gayk. Kerperin verweist auf die „Nicht-Sichtbarkeit“ der Sternenkinder, die es vielen schwierig mache, damit umzugehen: „Das Kind ist da und ist doch nicht da.“ Dieser Nicht-Sichtbarkeit möchten die drei Seelsorgerinnen entgegentreten, um den betroffenen Familien in ihrer Trauer zu helfen. Deshalb laden sie am Gedenktag für verwaiste Eltern zu einem eigenen Gottesdienst für Sternenkinder-Eltern. Weil diese anders trauern als Eltern, die ihre Kinder mehrere Jahre begleiten konnten. „Und weil es viele Menschen betrifft“, sagt Pfarrerin Gayk. (tr)

INFO: GOTTESDIENSTE FÜR VERWAISTE ELTERN

Der zweite Dezembersonntag ist der Gedenktag für Eltern, deren Kinder gestorben sind. Unter der Überschrift „Worldwide Candle Lighting“ sind Menschen rund um den Globus eingeladen, zur Erinnerung an diese Kinder um 19 Uhr eine Kerze ins Fenster zu stellen. In Essen gibt es am dritten Adventssonntag drei Gottesdienste für verwaiste Eltern; eine konfessionelle oder kirchliche Zugehörigkeit ist nicht erforderlich:
- Gedenkgottesdienst für Sternenkinder um 19 Uhr in der Marktkirche, Markt 2, 45127 Essen
- Gottesdienst für verwaiste Eltern um 19.30 Uhr in der Ev. Kirche Essen-Rellinghausen, Oberstraße 65, 45134 Essen
- Gottesdienst der Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V. um 18.30 Uhr in der Melanchthonkirche, Melanchthonstraße 3, 45147 Essen

INFO: STERNENKINDER - VIELE PAARE SIND BETROFFEN

Als Sternenkinder werden heute alle Kinder bezeichnet, die vor, während oder kurze Zeit nach der Geburt sterben - egal, ob sie im juristischen Sinne als „Fehlgeburt“ (unter 500 Gramm Gewicht oder vor der 24. Schwangerschaftswoche) oder als „Totgeburt“ (ältere und schwerere Sternenkinder) zur Welt kommen.

Die Zahl der Totgeburten wird exakt erfasst. Sie ist bundesweit zuletzt auf 4,3 Totgeburten je 1000 Geburten angestiegen. Hinsichtlich der Zahl von Fehlgeburten gibt es viele statistische Unwägbarkeiten. Allerdings gehen verschiedene Studien davon aus, dass jede zehnte, womöglich sogar jede sechste Frau eine Fehlgeburt erleidet. Insbesondere für viele der betroffenen Frauen ist dies ein schwerer Verlust, der sie stark belastet.

Titelbild: Unser Foto zeigt Petra Kerperin, katholische Seelsorgerin am Elisabeth-Krankenhaus; Eileen Krauße, katholische Seelsorgerin am Universitätsklinikum Essen, Juliane Gayk, evangelische Pfarrerin am Elisabeth-Krankenhaus (v.li.n.re.). Foto: Bistum Essen/Nicole Cronauge.

 

 

 

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