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Dem Heiligen Geist nicht so viele Hindernisse in den Weg legen

Präses Thorsten Latzel sprach beim Neujahrsempfang des Kirchenkreises

Mit einem Neujahrsempfang in der Erlöserkirche hat die Evangelische Kirche in Essen das neue Kirchenjahr begrüßt. Zu diesem Anlass passte das Thema, das der rheinische Präses Dr. Thorsten Latzel für seinen Gastvortrag gewählt hatte: Wie können wir heute Kirche sein und zukünftig bleiben – in einer Zeit, in der Kirche an Relevanz und Resonanz verliert? Wie können wir Depressionen vermeiden und Veränderungen angehen, ohne uns zu erschöpfen?

Jedenfalls nicht dadurch, indem wir uns von Sparrunde zu Sparrunde bewegen und die Strukturen schrittweise immer weiter kürzen, während die Aufgaben und Belastungen für die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden immer weiter steigen, lautete die Antwort des Präses. „Dieses derzeitige System von Kirche stößt an seine Grenze.“

Sondern: Indem wir uns den 90 Prozent der Kirchenmitglieder zuwenden, die nie in unseren Kirchen und Gemeindehäusern auftauchen. Indem wir Aufgabenkritik ernst nehmen. Verlässliche Kasualien und Seelsorge anbieten. Modellgemeinden stärken und Diakonie leben. Die Gemeindegrenzen durchlässiger machen. Neue, insbesondere auch digitale Kommunikationswege zu den Menschen suchen. Weniger auf Kontrolle setzen, sondern mehr Vertrauen wagen. Partner in Ökumene und Zivilgesellschaft finden. Unsere Gemeindehäuser und Kirchen zu Alltagsorten machen. Und nicht zuletzt, indem wir ein gutes Stück subversiv sind!

Dies alles und noch einiges mehr steht in dem Positionspapier E.K.I.R. – wir gestalten „evangelisch rheinisch“ zukunftsfähig, das die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland Ende August vorgelegt hat. Die größte Zustimmung sei tendenziell eher von außen gekommen, Kritik vor allem aus dem „Kernbereich unserer Kirche“, berichtete Thorsten Latzel. Wobei sich kritische Stimmen nur selten auf den Inhalt, sondern weitgehend auf die Form der Veröffentlichung bezogen hätten – ohne große vorherige Diskussion oder Beteiligung der verschiedenen Ebenen und Gremien der verfassten Kirche. Die Kirchenleitung verstehe die Schrift als „ihren eigenen Beitrag“ zur gegenwärtigen Diskussion über die Frage, wie die Kirche zukunftsfähig aufgestellt werden könne – konkrete Entscheidungen blieben ohnehin den Presbyterien und Synoden vorbehalten.

Wichtig sei es jedenfalls, nicht immer um sich selbst zu kreisen, sondern sich den Menschen neu zuzuwenden. "Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem", konstatierte der Präses. Vor allem im Hinblick auf die Altersstufe der Zwanzig- bis Vierzigjährigen sieht Thorsten Latzel einen großen Handlungsbedarf: Sie sind fertig mit Ausbildung oder Studium, merken, dass die Kirche in ihrem Leben bis auf den Einzug von Kirchensteuern keine große Rolle spielt - und treten aus. Wenn es gelinge, das große Potenzial evangelischer Kindertagesstätten zu nutzen, sei viel gewonnen - um neue Ideen umzusetzen, müssten aber für die vor Ort handelnden Haupt- und Ehrenamtlichen mehr Handlungsspielräume geschaffen werden. „Es wird bis zum Ende der Welt eine Kirche Jesu Christi geben. Wir sollten dem Heiligen Geist trotzdem nicht so viele Hindernisse in den Weg legen, damit er frei wirken kann!“, schloss Thorsten Latzel seinen Vortrag mit einem deutlichen Appell.

Wenn Sie sich selbst ein Bild machen möchten: Den Text finden Sie unten auf dieser Seite zum Anschauen und Herunterladen. Dazu gab es einmal mehr wunderbare Musik vom Vokalensemble Vollklang, inspirierende Grußworte von Altbürgermeister Franz-Josef Britz und Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen. Trotz Maskenpflicht und Wahrung der Abstände und obwohl der Kirchenkreis kurzfristig auf den anschließenden Abend der Begegnung verzichtet hatte, konnten sich Gäste am Ende über einen guten, inspirierenden Abend freuen.

PRÄSES DR. THORSTEN LATZEL

Dr. Thorsten Latzel, Jahrgang 1970, ist seit Januar diesen Jahres Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland; vor seiner Wahl war er acht Jahre lang Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Von 2005 bis 2012 leitete er als Oberkirchenrat das Referat „Studien- und Planungsfragen“ im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und das Projektbüro Reformprozess. Er war u. a. zuständig für die EKD-Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, die Reformzentren und Kirche in der Fläche.

Aufgewachsen in Bad Laasphe, studierte Thorsten Latzel Theologie in Marburg und Heidelberg und wurde über eine Arbeit zum Heidelberger Katechismus bei Prof. Dr. Wilfried Härle promoviert. Zunächst war er Pfarrer in Erlensee-Langendiebach (Kurhessen-Waldeck). Er ist Mitglied der Bildungskammer der EKD. Auf praesesblog.ekir.de veröffentlicht er wöchentlich theologische Impulse. Thorsten Latzel ist verheiratet und hat drei Kinder.

Unser Titelbild zeigt v.li.n.re.: Altbürgermeister Franz-Josef Britz, Präses Dr. Thorsten Latzel, Superintendentin Marion Greve, Generalvikar Klaus Pfeffer und Stadtdechant Jürgen Schmidt. Foto: Alexandra Roth

 

 

 

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