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Hoffnung auf Versöhnung, Mahnung vor Krieg und Gewalt

Neue Gedenkstele würdigt das Altendorfer Friedenskreuz

Gemeinsam mit Oberbürgermeister Thomas Kufen, Pastor Gerd Belker, Bezirksbürgermeisterin Doris Eisenmenger und Hubert Rösen aus der Altendorfer Bürgerschaft hat Superintendentin Marion Greve am Sonntag (02.05.) eine Gedenkstele eingeweiht, die dem Altendorfer Friedenskreuz in der Nöggerathstraße gewidmet ist. Vor dem Mahnmal beteten am 3. Mai 1945 - noch vor der endgültigen deutschen Kapitulation - Altendorfer Bürger zusammen mit befreiten Kriegsgefangenen aus der damaligen Sowjetunion, ehemaligen Zwangsarbeitern aus Polen, Frankreich und anderen Staaten um Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern.

Marion Greve: „Persönlich habe ich mich sehr darüber gefreut, dass Pastor Gerd Belker an der Einweihung der Stele teilnehmen konnte, denn ich bin ihm seit rund dreißig Jahren in ökumenischer Partnerschaft verbunden. Seit über vierzig Jahren engagiert er sich mit anderen maßgeblich dafür, die Botschaft des Friedenskreuzes in unsere Zeit zu tragen: Schaut nicht weg und mischt euch ein, wo immer Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, Mobbing und Ausbeutung, Gewalt und Unrecht geschehen. Es war eine sehr würdige und auch nachdenkliche Veranstaltung – einen Tag, nachdem NPD-Anhänger und weitere Rechtsextreme durch Essener Straßen gezogen sind.“ Nachfolgend dokumentieren wir das Grußwort der Superintendentin im Wortlaut.

GRUSSWORT DER SUPERINTENDENTIN

„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht Gott, der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jeremia 29,11),

Dieses Gotteswort verkündete der Prophet Jeremia dem jüdischen Volk vor rund 2.500 Jahren. In dieser Zeit hatte das jüdische Volk den Krieg gegen das mächtige Babylon verloren und viele Bewohner waren ins Babylonische Exil geführt worden. Weit entfernt von der Heimat war das Elend groß und sie fragten sich: Wie konnte Gott das zulassen?

Solch eine Zeit des Zusammenbruchs und der Hoffnungslosigkeit haben wir in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt. Viele Menschen folgten den falschen Machthabern. Nur wenige erkannten, dass dieser Weg in die Katastrophe führt. Manche von diesen weitsichtigen Menschen lebten hier in Altendorf. Allen voran Bernhard Weber, aber auch manche Ungenannte, die sich dem Verbot des Kontakts mit Kriegsgefangenen widersetzten, um schon in den Kriegsjahren das Leben vieler zu schützen.

Am 3. Mai 1945 haben diese friedenssuchenden Altendorfer Mitmenschen zusammen mit befreiten Kriegsgefangenen aus der damaligen Sowjetunion, ehemaligen Zwangsarbeitern aus Polen, Frankreich und anderen Staaten – das Altendorfer Friedenskreuz errichtet und hier gemeinsam gebetet. Das Friedenskreuz steht an der Stelle eines viel älteren Kreuzes, das aus napoleonischer Zeit stammte und im Laufe der Jahre zerfallen war. Dennoch wurde es vielen Menschen aus dem Stadtteil und den Zwangsarbeitern, die hier entlangmarschierten, im Zweiten Weltkrieg zu einem Hoffnungszeichen. Nach dem Ende der Kampfhandlungen im Ruhrgebiet, noch vor der endgültigen Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands, ließen sie es deshalb neu erstehen und ergänzten es um eine Gedenktafel mit den Worten: „Ich will, dass ihr in Frieden lebt. Für die Opfer in schwerer Zeit“.

„Ich – ‚Gott‘ – will, dass ihr – ‚alle Menschen‘ – in Frieden lebt!“ Mit diesen Worten bekannte sich diese kleine Gruppe an jenem denkwürdigen Tag sichtbar und ausdrücklich dazu, dass Gott das Heil will für alle Menschen und Völker – ungeachtet der Person und seiner Taten. Was für ein mutiger Schritt, was für ein Zeugnis der tiefen Vergebungsbereitschaft nach all dem erfahren Leid. Ich bin sicher, an diesem Tag ereignete sich Gott auf ganz besondere Weise hier in Altendorf und unter diesen Menschen.

Und diese besondere Gottesgegenwart wirkt bis heute fort, bis zu uns, dir wir heute vor diesem Friedenskreuz stehen – über 75 Jahre danach. Wie die Menschen damals sind wir bis heute gefragt, welchen Parolen wir folgen. Wem schenken wir unser Vertrauen? Wo setzen wir uns für den Frieden ein, den Gott uns verheißen hat? Gedenken wir der Opfer – und mehr noch, treten wir für sie ein?

Gelegenheit dazu haben wir dazu leider immer noch genug. Sei es in unseren kulturell vielgestaltigen Nachbarschaften, in unserer sozial vielfältigen Stadt, dem vereinten und gleichzeitig europäischen Deutschland oder gegenüber Menschen auf der Flucht aus Not und Krieg. Aber auch konkret, am 1. Mai, haben wir unsere Stimme erhoben: Mit der Essener Allianz, einem zivilgesellschaftlichen Bündnis für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat, haben wir unsere Stimmen erhoben gegen die Durchführung von Demonstrationen der Partei Die Rechte und der NPD am Tag der Arbeit – gemeinsam mit Oberbürgermeister Thomas Kufen.

Wir leben in friedlichen Zeiten, aber Frieden ist noch lange nicht. „Suche Frieden und jage ihm nach!“, heißt es in Psalm 34. Möge uns das Altendorfer Friedenskreuz, dieses Wegzeichen des Friedens, ermutigen und stärken für unseren ganz eigenen Beitrag zum Frieden, im Vertrauen darauf, dass Gottes Wort bis heute gilt: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht Gott, der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jeremia 29.11).

STICHWORT: ALTENDORFER FRIEDENSKREUZ

Das Altendorfer Friedenskreuz an der Nöggerathstraße ist das erste Antikriegsdenkmal, das nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ruhrgebietsmetropole entstand – noch vor der endgültigen Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands. Das Kreuz wurde seinerzeit aus zwei Balken der zerstörten Scheune des nahegelegenen Herbrüggenhofs gefertigt. Ursprünglich sollte es an sieben Menschen erinnern, die bei einem Bombenangriff am 25. Oktober 1944 getötet wurden - und daran, dass es ein kriegsgefangener Arzt und mehrere Zwangsarbeiter waren, die maßgeblich bei der Bergung der Verschütteten und der Erstversorgung der Verletzten halfen.

Vor diesem Kreuz standen am 3. Mai 1945 Menschen verschiedener Nationalitäten: Vom Nationalsozialismus entrechtete kriegsgefangene Zwangsarbeiter aus Russland und Frankreich, die an der Nöggerath- und Raumerstraße ihre Lager hatten, sowie Deutsche aus Altendorf, Bewohner der Hirtsiefer- und der anliegenden Straßen. Gemeinsam beteten sie für den Frieden zwischen den Völkern. Von diesem Tag an bekam dieses „einfache“ Kreuz den starken, verheißungsvollen Namen Friedenskreuz. Das bringt auch der Stein unter dem Kreuz zum Ausdruck: „Ich will, dass Ihr in Frieden lebt. Für die Opfer in schwerer Zeit. 3. Mai 1945.“

Heute ist das Friedenskreuz ein Zeichen der Hoffnung: Verfeindete Menschen und Völker finden zueinander und bauen gemeinsam am Frieden der Welt. Aber es ist zugleich auch ein Mahnzeichen. Nie wieder Krieg! Schaut nicht weg und mischt euch ein, wo immer Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, Mobbing und Ausbeutung, Gewalt und Unrecht geschehen.

© Foto: Michael Gohl

 

 

 

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