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Bemerkenswerte Raumerfahrung

Installation in der Kirche am Markt in Kettwig kommt an

Über tausend Besucherinnen und Besucher haben die beeindruckende Rauminstallation, die die Bochumer Künstlerin Dorothee Bielfeld in der Kirche am Markt der Evangelischen Kirchengemeinde Kettwig aufgebaut hat, bereits gesehen – und zur Freude von Pfarrerin Silke Althaus und den übrigen Mitgliedern des Presbyteriums sind ihre Reaktionen zum allergrößten Teil positiv ausgefallen, wie die Einträge im Gästebuch belegen. Dabei dürfte diese künstlerische Aktion tatsächlich zu den ungewöhnlichsten zählen, die es bislang in einer Essener Kirche gegeben hat: Neun der normalerweise festgefügten Kirchenbänke wurden aus ihren Verankerungen gelöst, teilweise übereinander getürmt und so angeordnet, dass inmitten des altehrwürdigen Kirchenschiffs eine neue Mitte, ein neuer Ort für die Predigt entstanden ist. Am 30. Oktober wollen Pfarrerinnen und Pfarrer aus der ganzen Evangelischen Kirche im Rheinland die Installation deshalb zum Anlass nehmen, um über die Neugestaltung von Gottesdiensträumen nachzudenken.

„Ich bin begeistert und bewundere Ihren Mut zum ‚Aufbruch‘!“ – „Eine bemerkenswerte, ungewöhnliche Raumerfahrung in dieser wunderschönen Kirche.“ – „Die Zukunft des Glaubens kann nur so entstehen. Danke!“ – „Ich finde diese Installation gut, mutig, aufwühlend, inspirierend, herausfordernd – aber auch beruhigend: Sie stimmt mich hoffnungsvoll auf Neues.“ – „Ich bin gespannt, wie es weitergeht.“ – „Ausdrucksvoll, ungewöhnlich!“ Diese und weitere ermutigende Kommentare hat die Kirchengemeinde Kettwig in ihrem Gästebuch gesammelt, das derzeit in der Kirche am Markt ausliegt.

Rund 300 der bisher registrierten Besucherinnen und Besucher, schätzt Silke Althaus, stammen aus Kettwig oder sind der Gemeinde in irgendeiner Form verbunden, die übrigen kamen aus dem gesamten Ruhrgebiet oder weiter entfernten Städten. Auch das Team der offenen Kirchen berichtet von vielen guten Erfahrungen: „Ich hatte noch nie so viele spannende Gespräche bei meinem Dienst im Rahmen der ‚offenen Kirche‘“ – „Der Kirchendienst ist richtig lebendig geworden. Am Samstag kamen in drei Stunden rund 60 Leute und es ergab sich ein spannender Austausch“, notierten Mitglieder im Gästebuch.

Demgegenüber ist ein „Bedrückend!“ die bislang einzige negative Rückmeldung, die jemand hineingeschrieben hat. „Natürlich verstehe ich gut, dass diese Form der Kunst manchen langjährigen Mitgliedern der Gemeinde wie eine Provokation erscheint“, gibt Silke Althaus zu. „Schließlich leben wir nicht nur aufgrund der Pandemie in einer Zeit starker Verunsicherungen; und viele Menschen sehnen sich nach Beständigkeit und festen Bezugspunkten im Leben. Stattdessen müssen sie sich zu Beginn jedes Gottesdienstes in einer bewusst geschaffenen Unordnung neu orientieren: Wo soll jetzt mein Platz sein? Wage ich mich vielleicht sogar auf eine schiefe Ebene?“

Genau diese Fragen will die Rauminstallation "aufbrechen" bei den Besucherinnen und Besuchern auslösen. „Unsere Kirche ist mehr als eine schöne Kulisse für Einheimische oder Touristen. Unsere Kirche will verkrustete Gewohnheiten und bedenkliche Entwicklungen hinterfragen, sie will dazu motivieren, über den eigenen Lebensweg nachzudenken, und sie muss sich angesichts ihres gesellschaftlichen Relevanzverlustes natürlich auch selbst verändern – eben den Mut zum Aufbruch finden, um den Menschen am Ende eine neue Heimat bieten zu können.“

Rheinischer Gottesdiensttag hat in Kettwig Premiere

Silke Althaus ist gespannt, ob ihre Kolleginnen und Kollegen aus der gesamten Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), die am 30. Oktober zum 1. Rheinischen Gottesdiensttag in die Kirche am Markt kommen, von der Installation ähnlich beeindruckt sind wie die Gäste bislang. „Das Thema Raum ist zentral, wenn wir darüber nachdenken, wie wir Gottesdienst feiern möchten“, freut sich Landespfarrer Dr. Frank Peters vom Zentrum Gemeinde und Kirchenentwicklung der EKiR auf den Dialog am kommenden Samstag. „Ich nehme in vielen Gemeinden wahr, dass sich die Menschen im Gottesdienst mehr Partizipation, mehr Gespräch und mehr Begegnung wünschen. Wenn wir das ernst nehmen, müssen wir auch überlegen, ob die normale Sitzordnung ‚Alle schauen nach vorne auf eine Bühne‘ diesen Wünschen eigentlich noch entspricht.“

In Kettwig, das wünschen sich nicht wenige Gemeindeglieder, sollen diese Überlegungen fortgesetzt werden, auch wenn die Rauminstallation von Dorothee Bielfeld nach dem 7. November vollständig abgebaut wird – dass jede einzelne Bank unversehrt bleibt und hinterher wieder fest an ihrem ursprünglichen Platz verankert wird, war eine wichtige Voraussetzung für die Genehmigung der Kunstaktion durch das Denkmalschutzamt. „Natürlich würde ich mich freuen, wenn die Installation innerhalb der Gemeinde eine Diskussion anregt, deren Ziel eine behutsame Flexibilisierung der bisherigen Sitzordnung sein könnte“, hofft Silke Althaus. „In den Köpfen und Herzen der Menschen werden die gesammelten Eindrücke auf jeden Fall ihre Spuren hinterlassen.“

Öffnungszeiten und Kulturprogramm

Die Installation „aufbrechen“ von Dorothee Bielfeld kann noch bis zum 7. November dienstags, freitags und samstags von 10 bis 18 Uhr sowie sonntags von 12.30 bis 18 Uhr in der Kirche am Markt, Hauptstraße 83, besichtigt werden. – Auch das vielfältige Kulturprogramm, das die Aktion begleitet, ist gut angenommen worden. Ausstehende Termine der Reihe sind ein Abend mit Performances am Reformationstag, 31. Oktober, um 18 Uhr, ein Themenabend über „Kirche und Rassismus“ am Donnerstag, 4. November, um 18.30 Uhr, ein Gottesdienst am Sonntag, 7. November, um 10.30 Uhr und die Finissage am selben Tag um 17 Uhr.

Unser Titelbild entstand bei einem Taufgottesdienst mit Pfarrerin Silke Althaus inmitten der Rauminstallation in der Kirche am Markt. Foto: Thomas Ott.

 

 

 

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